EUROplast in “Plastverarbeiter” Ausgabe 06/ 02
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Bislang wird häufig Polycarbonat (PC) für Anwendungen in der Luftfahrt eingesetzt. Dieser amorphe Werkstoff bereitet jedoch wegen seiner relativ schlechten Spannungsrissbeständigkeit Probleme. Es besteht die Gefahr, dass durch eine Überlagerung von Spannungen in Verbindung mit einem Chemikalienangriff Risse ausgelöst werden.
Spannungen entstehen an Kunststoffteilen durch den Herstellungsprozess, beispielsweise beim Spritzgießen oder beim Tiefziehen – wobei eine gute Verarbeitung und eine kunststoffgerechte Konstruktion der Bauteile das Spannungsniveau reduzieren. Je nach Anwendungsfall kann es bei den Bauteilen auch zu nicht unerheblichen Spannungen in der späteren Einbausituation durch Verwendung von gewindeformenden anstelle von gewindeschneidenden Schrauben oder falsch ausgelegten Schnapphaken kommen.
Bei den benötigten Bauteilen handelt es sich um technische Funktionsteile der Sitzmechanik. Diese sind im Einbauzustand gewissen Spannungen ausgesetzt und werden mit spannungsrissauslösenden Substanzen wie Schmierfetten, aber auch Lebensmitteln, Handcremes oder Reinigungsmitteln kontaminiert. Nach jedem längeren Flug steht eine Reinigung an, die teilweise an den entlegensten Orten in der Welt durchgeführt wird. Dadurch ist es schwierig, die Substanzen vorzuschreiben, mit denen die Kunststoffteile behandelt werden dürfen. Der Einsatz von Polycarbonat, einem Werkstoff mit hoher Schlagzähigkeit und Möglichkeit der Flammschutzausrüstung, birgt jedoch fast bei jedem handelsüblichen Reinigungsmittel die Gefahr der Spannungsrissbildung in sich.
Das Eigenschaftsprofil des Werkstoffes, der für die Luftfahrtindustrie zugelassen ist, muss bestimmten Anforderungen genügen:
Nach verschiedenen Versuchen entstand ein für die Luftfahrtindustrie geeignetes, trockenschlagzähes PA6 GF 15 FR (Foramid GM 96/30–1). Die Polymermatrix dieses Werkstoffes besteht aus Polyamid 6, einem teilkristallinen Werkstoff mit ausreichenden Festigkeits- und Dehnwerten sowie hoher Chemikalienbeständigkeit. Zur Erzielung der flammhemmenden Eigenschaften wurden nicht unerhebliche Mengen eines phosphat- und schwermetallfreien Flammschutzsystems zugesetzt. Weiterhin wurden etwa 15% Glasfaser eincompoundiert um die Festigkeit und Steifigkeit zu erhöhen. Bei einem Anteil von 30% war der Werkstoff, bedingt durch den hohen Flammschutzanteil, zu spröde. Ein zugesetzter Schlagzähmodifikator auf Kautschukbasis verhalf zur Erhöhung der Trockenschlagzähigkeit.
Der Werkstoff lässt sich wie ein normales PA 6 – GF15 verarbeiten. Um die Einfärbbarkeit zu gewährleisten, muss die Farbe exakt auf den Grundwerkstoff eingestellt werden. Dennoch ist zu bemerken, dass die Einfärbbarkeit aufgrund des hohen Flammschutzanteils nur eingeschränkt möglich ist.
Die Plastifizier- und Einspritzbedingungen müssen so eingestellt werden, dass sich das Blend nicht entmischt. Die Parameter wurden empirisch ermittelt.
Die fertigen Spritzgießteile sollten trotz Trockenschlagzähmodifizierung nach der Fertigstellung noch mit 2–3 % destilliertem Wasser konditioniert werden. Dies erhöht die Schlagzähigkeit des durch den hohen Flammschutzanteil relativ spröden Polyamidcompounds.
Die Spritzgiessform ist mit harten Einsätzen aus Warmarbeitsstahl (1.2344) ausgestattet und besitzt eine optimale Einsatztemperierung. Die Anspritzung erfolgt, wegen der relativ geringen Stückzahlen der Luftfahrindustrie, mit Stange und Verteiler ohne Heißkanaltechnik. Auf eine ausreichende dicke Anbindung des Tunnelangusses wurde geachtet. Dies ist wichtig für geringe Scherung und ausreichende Nachdruckversorgung des teilkristallinen Werkstoffes. Die Bindenähte wurden in unkritische Bereiche gelegt. Die Entformung erfolgt mittels Flach- und Rundauswerfern sowie partiell mit aufwändiger Schiebertechnologie.
Die Polymergruppe der Polyamide hat sich aufgrund ihrer Vielseitigkeit im Bereich der Spritzgießgranulate als eine der wichtigsten und vielseitigsten thermoplastischen Kunststoffe etabliert. Dabei wird das Makromolekül aus ein oder zwei verschiedenen Monomeren aufgebaut. Es wird unterschieden zwischen PA 6 (aber auch PA 11 und PA 12) und PA 6.6 (aber auch PA 4.6 und PA 6.9). Die Zahl besagt dabei die Anzahl der Kohlenstoffatome im Molekül.
Die für den Einsatzzweck geforderte Kombination von halogen- und phosphatfreiem Flammschutz, Glasfaser-Verstärkung und Schlagzähmodifikation stellt für den Compoundeur eine besondere Herausforderung dar. Den Aspekten Polymerkompatibilität, Abstimmung der Wirkmechanismen, Sicherheit der Prozessführung, Umweltverträglichkeit und gute Ökonomie muss man dabei gerecht werden.
Aufgrund langjähriger Erfahrungen erwies sich ein Flammschutzsystem auf Basis von Melamincyanurat ( melapur MC 25 von DSM ) als geeignet.
Es wird deutlich, dass bei PA 6 die Endgruppen NH2 und COOH mit denen von MCU eine Verbindung eingehen, wobei die Bildungsreaktion durch Aufklappen der Ringe und Anlagerung stattfindet. Dabei wird Cyanursäure abgebaut, was gleichzeitig zum Abbau von Polymaid und damit zu einer niedrigeren Rauchgasdichte führt. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Dosierung von Melamincyanurat zur Erzielung der jeweiligen Brandklasse weit höher angesetzt werden muss, als vom Hersteller angegeben.
Reichte bei dem Produkt MCU 25 von Chemie Linz im Jahre 1992 noch 8 Gew. % um bei PA 6 unverstärkt V 0 nach UL 94 (1,6 mm) zu erreichen, so benötigt man mit dem vorgenannten Produkt mindestens 12,5 Gew. %.
Das Brandverhalten von PA 6 mit Glasfaser wurde durch das Flammschutzsystem daher nur insoweit beeinflusst, dass V 2 nach UL 94 (1,6 mm) erreicht wurde. Da die Bauteile 3 mm Wandstärke aufweisen, sinkt die Brennbarkeit auf V 1 nach UL 94 ab und erfüllt somit die Flammschutztests der Luftfahrtindustrie, die sich von den Tests der Underwriters Laboratories unterscheiden.
Durch den Zusatz des Schlagzähmodifiers, in diesem Fall eines Ethylen-Propylen-Kautschuks (EPM), zu dem bereits hohen Flammschutzanteil, entsteht ein kompliziertes Gemengengelage, das hohe Anforderungen an den technologischen Prozess der Compoundierung stellt. Ohne drei gravimetrische Dosiereinheiten auf der einen Seite und der richtigen Wahl der Viskosität als Quotient aus Schergeschwindigkeit und Schubspannung auf der anderen Seite ist dabei eine gleichmäßige Qualität nicht zu sichern.
Bilder: EP Kunststofftechnik
Dr. Gerhard Pohl, Inhaber der Carl Pohl-Textil- und Thermoplastherstellung Forst / Lausitz und Geschäftsführer der Dr. Pohl-Textil- und Thermoplast GmbH, Forst / Lausitz
Dipl.-Ing. Elmar Nachtsheim, Geschäftsführer der Europlast, EP Kunststofftechnik GmbH, Ilsfeld
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